Kandidaten-Phishing: Finger weg von geschönten Formulierungen
Der Arbeitsmarkt brummt! Noch nie hatten seit der Wiedervereinigung mehr Menschen einen Job als heutzutage. Jüngste Statistiken belegen: Die Zahl der Erwerbstätigen ist auf mehr als 43 Millionen gestiegen. Besonders boomt der Dienstleistungssektor. Was für die einen gut, ist für die anderen der blanke Horror. In diesem Fall sind die Arbeitgeber die anderen. Denn diese sehen sich in ihren Büros einer wachsenden Zahl blanker Stühle gegenüber, weil es zu wenig Fachkräfte gibt. Aber aus Verzweiflung zu geschönten Formulierungen in Stellenanzeigen zu greifen, ist auch keine Lösung. Im Gegenteil kann schamloses Kandidaten-Phishing fatale Folgen fürs eigene Image haben.
Was würden Arbeitgeber mit einem Kandidaten machen, der einen geschönten Lebenslauf vorlegt? Richtig! Da gibt es nicht viel zu überlegen – er hätte keine Chance. Interessanterweise häufen sich im Netz die Fachbeiträge, in denen namhafte Arbeitgeber gefakte Unterlagen oder Lügen im Vorstellungsgespräch beklagen. Hier herrscht Einigkeit: Es handelt sich um alles andere als ein Kavaliersdelikt – Selbstmarketing hin und her. Alles hat seine Grenzen.
Kandidaten-Phishing: Geschönte Formulierungen
Das gilt aber auch umgekehrt. Denn in Zeiten, in denen Arbeitskräfte zunehmend rar werden, greift auch der eine oder andere Personaler zu unlauteren Mitteln. Das muss nicht unbedingt von krimineller Energie zeugen, sondern ist in den meisten Fällen wohl eher als ein Akt der Verzweiflung zu werten.
Ein Blick auf die jüngsten Arbeitsmarktzahlen verrät warum: Der Fachkräftemangel erwischt viele Unternehmen derzeit kalt. Im dritten Quartal 2015 waren nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) rund 43,2 Millionen Erwerbstätige mit Arbeitsort in Deutschland in Lohn und Brot. Damit wurde ein neuer Höchststand bei der Erwerbstätigkeit seit der Wiedervereinigung Deutschlands erreicht.
Im Vergleich zum dritten Quartal 2014 wuchs die Zahl der Erwerbstätigen um 343 000 Personen oder 0,8 Prozent. Im ersten (+ 0,7 %) und im zweiten Quartal 2015 (+ 0,6 %) hatten die Zuwachsraten im Vorjahresvergleich etwas niedriger gelegen. Der Jahresvergleich zeigt, dass sich die Zahl der Arbeitnehmer im dritten Quartal 2015 im Vergleich zum dritten Quartal 2014 um 441 000 (+ 1,1 %) auf 38,94 Millionen Personen erhöhte.
Kandidaten-Phishing: Akt der Verzweiflung….
Doch wie allzu oft ist des einen Freud, des anderen Leid. Und während die heiß umkämpften Arbeitnehmer nach einer langen Arbeitsmarkt-Dürreperiode mit Rekordarbeitslosenquoten langsam wieder Selbstbewusstsein tanken, gucken viele Arbeitgeber in die Röhre. Besondere Arbeitnehmerflaute herrscht in der IT, dem Ingenieurwesen, dem Pflegebereich.
Und da es die Employer Branding Spatzen dieser Welt von allen Dächern pfeifen, dass sich Arbeitgeber besser verkaufen müssen als in der Vergangenheit, um Arbeitnehmer von sich zu überzeugen, nehmen sich Personaler dem Thema Recruiting Marketing zunehmend beherzter an. In einigen Fällen allerdings zu beherzt.
Denn manche Stellenanzeige kommt daher wie aus 1001 Nacht. Und so wird in manchen Stelleninseraten herausgeputzt, aufgemöbelt und aufgemotzt, was das Zeug hält. Eine verführerische Offerte jagt die nächste: Flache Hierarchien, Flexibilität von Raum, Zeit und Ort, Gemeinschaftsgefühl, ein enges Teamgefüge, Inzentives, Events und, und, und. Was da nicht alles versprochen wird!
Kandidaten-Phishing: Theorie eins, Praxis sechs…
Doch was, wenn der Kandidat im Praxistest beim Vorstellungsgespräch herausfindet, dass all das mit der Realität nichts zu tun hat? Dann ist er schneller abgesprungen, als der Recruiter gucken kann. Und die Gefahr ist gegeben, dass seinem Beispiel auch andere folgen. Denn so etwas spricht sich über Social Media schnell herum. Das kann das Arbeitgeberimage ernsthaft beschädigen.
Ein anderes Phänomen der Schönfärberei in Stellenanzeigen betrifft die Gestaltung der Stellentitel. Auch diese werden auf Hochglanz poliert. Kaum ein Job, der nicht den Begriff “Manager” im Titel trägt. In Deutschland wimmelt es nur so von Managern, doch die wenigsten von ihnen haben tatsächlich Führungsverantwortung. Damit nicht genug. Auch der Länge und der Kreativität bei der Erstellung von Jobtiteln sind kaum Grenzen gesetzt.
Doch je vielversprechender ein Jobtitel formuliert ist, umso größer die Enttäuschung des Kandidaten, wenn er herausfindet, dass die vermeintlich verantwortungsvolle Position nichts anderes als ein Handlangerposten ist. Daher gilt: Je konkreter und wirklichkeitsgetreuer eine Stellenanzeige formuliert ist, desto geringer fallen die Streuverluste aus.
Kandidaten-Phishing: Der “Manager” im Jobtitel
Wichtig bei der Wahl des Jobtitels ist, dass dieser zur Zielgruppe passt, die angesprochen werden soll. Ein Beispiel: Der klassische Personalreferent erfüllt ähnliche, wenn nicht gar die gleichen Aufgaben wie ein Human Resources Generalist oder der HR Business Partner. Dennoch fühlen sich von diesen Jobbezeichnungen unterschiedliche Zielgruppen angesprochen.
Während sich der Human Resources Generalist eher an ein jüngeres Alterssegment richtet, zielt der HR Business Partner auf erfahrene Spezialisten ab. Der Personalreferent fokussiert dagegen auf konservativ gestrickte Kandidaten. Zum anderen sollte der Jobtitel nicht zu “exotisch” ausfallen. Denn der Kandidat soll ja schließlich verstehen, worum es in dem Job geht. Und eines ist so gut wie sicher: Findet er sich und seine Skills nicht in dem Jobtitel wieder, wird er die Stellenanzeige erst gar nicht genauer lesen. Im Zweifel daher lieber eine klassische Bezeichnung wählen, als zuviel Phantasie walten zu lassen. Dann klappt’s ehesten mit dem Bewerber.